Viele Hochschulen in Deutschland entdecken eine neue Aufgabe für sich: Sie schaffen Angebote für Bürgerinnen und Bürger, die weder studieren noch in der Bildungseinrichtung arbeiten. Doch was genau wäre interessant für die Bevölkerung? Das will die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt mit einer Umfrage herausfinden.
Wie können Hochschulen einen Beitrag zum kulturellen und gesellschaftlichen Leben in der Stadt und Region leisten? Um diese Frage geht es im Projekt „Mensch in Bewegung“, das an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) und der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) seit Januar 2018 läuft. Das Ziel: die beiden Wissenseinrichtungen und die Region 10 näher zusammenbringen. Dazu schaffen KU und THI neue Angebote für die Bevölkerung – mit einem Schwerpunkt auf Mitmach-Aktionen. Diese Aktivitäten gehören zu einem neuen Aufgabenbereich, der sich „Third Mission“, dritte Mission, nennt: Neben Forschung und Lehre übernehmen die Bildungseinrichtungen als dritte Aufgabe Verantwortung für die Gesellschaft und pflegen den Wissensaustausch.
Nur: Wie erfasst man den Erfolg eines solchen Vorhabens? „Man kann das nicht mit Daumen hoch, runter oder mittel beurteilen“, sagt Elisabeth Kals, Professorin für Sozial- und Organisationspsychologie an der KU. Ein Forschungsteam unter ihrer Leitung begleitet die Aktionen von „Mensch in Bewegung“ wissenschaftlich. Die Gruppe untersucht, wie sich die beiden Hochschulen und die Region im Laufe des Projekts bis Ende 2022 gemeinsam verändern.
Dazu sind derzeit die Bürgerinnen und Bürger aus den Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen sowie der Stadt Ingolstadt gefragt: Das Forschungsteam freut sich über viele Teilnehmende, die eine Viertelstunde investieren und den Online-Fragebogen (abrufbar unter http://umfragen.ku.de/ku-thi) ausfüllen. „Das Entscheidende ist aber nicht die Zahl, sondern die Vielfalt an Meinungen“, erklärt Prof. Dr. Elisabeth Kals. Alle Stimmen seien wertvoll – gerade auch die von Menschen, die skeptisch sind oder bisher noch nichts mit KU oder THI zu tun hatten. Aktuell wird eine Daten-Basis erhoben: Es gab bereits weitere Umfragen bei Institutionen und Unternehmen in der Region, Uni-Angestellten und Studierenden. Später werden alle Zielgruppen erneut befragt.
Die Ergebnisse sind für das Projektteam von „Mensch in Bewegung“ und auch für andere Hochschulen wertvoll. Denn mit seiner Wirkungsforschung betritt das Team der Sozial- und Organisationspsychologie Neuland. Mehrere Universitäten in Deutschland stehen derzeit vor dem Problem, wie sich der Erfolg der dritten Mission messen lässt. „Dazu gibt es noch nicht viel Forschung“, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Judith Prantl. Auch für die Psychologie insgesamt ist das Thema spannend. Prantls Kollegin Susanne Freund erläutert, die Organisationspsychologie befasse sich damit, „wie Menschen innerhalb von Organisationen denken, fühlen und sich verhalten“. Früher wurde untersucht, wie sich Arbeiter in der Automobilindustrie an Gruppenarbeit am Band gewöhnen. Heute erforscht man, wie Unternehmen mit der Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt umgehen. „Auch Hochschulen müssen sich verändern“, erklärt Professorin Kals. Dazu gehört, dass sie mehr Wissensaustausch mit Politik, Wirtschaft und Bevölkerung betreiben.
Die Wirkungsforschung der KU ist zudem keine Einbahnstraße: Dafür sorgt Daniel Zacher, der den Job-Titel „Impact-Manager“ trägt: Der Geograph, der auch am Lehrstuhl Tourismus der KU arbeitet, sorgt dafür, dass das Projekt „Mensch in Bewegung“ seine Wirkung optimal entfalten kann. Zacher übersetzt die Anregungen aus den vielen Hundert Befragungen in konkrete Veränderungen der Angebote. „Wir werden Hinweise erhalten, wo wir besser werden können“, sagt er. „So kann die Bevölkerung das Projekt mitgestalten.“
Die Veranstaltungen des Projekts „Mensch in Bewegung“ können die Bürgerinnen und Bürger auch persönlich erleben: Am Freitag, 24. Mai, beteiligen sich KU und THI mit vielen Beiträgen an der „Langen Nacht der Unternehmen und Wissenschaft“. Beim „Zukunftsforum Nachhaltige Entwicklung“ am Samstag, 9. November, auf dem Eichstätter Campus werden Vorträge, Workshops und Mitmach-Aktionen angeboten. Informationen zu weiteren Terminen sind hier zu finden.
Hintergrund: Innovative Hochschulen in Deutschland
Mit dem Projekt „Mensch in Bewegung“ gehört die Region 10 zu wenigen Pionier-Regionen in Deutschland. Aktuell werden bundesweit insgesamt 39 Vorhaben im Rahmen des Programms „Innovative Hochschule“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den jeweiligen Bundesländern gefördert. Für zwei Förderzeiträume werden bis 2027 insgesamt rund 550 Millionen Euro bereitgestellt. An der Katholischen Universität Eichstätt- Ingolstadt und der Technischen Hochschule Ingolstadt läuft „Mensch in Bewegung“ zunächst bis Ende 2022.
Das Stichwort lautet „Third Mission“: Die Bildungseinrichtungen sollen neben Forschung und Lehre auch eine dritte Aufgabe wahrnehmen – sich in der Gesellschaft einbringen und den Wissensaustausch zwischen Universität und Region fördern. Diese dritte Mission wird damit in Deutschland erstmals mit einem solchen finanziellen Aufwand vorangetrieben. Obwohl es an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt auch vor „Mensch in Bewegung“ schon Engagierte gab, die etwas für diese dritte Mission getan haben, ist das Thema noch nicht überall bekannt. Das Projekt „Mensch in Bewegung“ fördert dieses Engagement, baut es aus und macht es sichtbar. Welchen Einfluss das auf die beiden beteiligten Hochschulen und auf die Region hat, wird wissenschaftlich untersucht.