Studierende und ihr Dozent vom Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt stellen am Dienstag, 18. Juni, um 19 Uhr ihren Youtube-Kanal „Endgegner Mittelalter“ vor. Sie hatten sich in einem Seminar mit der Darstellung des Mittelalters in Computerspielen auseinandergesetzt. Kann man daraus etwas über historische Zusammenhänge lernen oder handelt es sich um verzerrte Klischeebilder? In Videos haben die Studierenden ihre Erkenntnisse zusammengefasst. Sie bieten viele Anregungen, wie man das „Computermittelalter“ richtig einschätzen und einordnen kann.
„Oftmals eigenen sich Computerspiele eher dazu, Aufschluss über die Geschichtsbilder der Entwickler zu erlangen, als Wissen über das Mittelalter zu vermitteln“, fasst Dozent Kilian Baur, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte, zusammen. Die Geschichtsbilder in Computerspielen seien denen aus anderen Medien sehr ähnlich. Ziel des Seminars sei es gewesen, mediale Erzeugnisse kritisch zu reflektieren: Entspricht es tatsächlichen historischen Fakten, wenn das Mittelalter als Zeitalter von Naturnähe und Ehrenmännern romantisiert oder als finstere Zeit dargestellt wird?
Die Arbeitsgruppe schuf im Seminar zunächst einen analytischen Rahmen, der dem aktuellen Forschungsstand der Game Studies und der Geschichtswissenschaften entspricht. Mit den erarbeiteten Kriterien untersuchten die Studierenden Computerspiele aus verschiedenen Genres wie Strategiespiel, Rollenspiel oder Wirtschaftssimulation – anhand von Genre-Klassikern wie „Stronghold“ oder „Age of Empires 2“, anhand von aktuellen Bestsellern wie „Kingdom Come: Deliverance“, aber auch von Indie-Titeln wie „Mount&Blade“ oder „Reigns“. Ihre Ergebnisse haben die Studierenden dann mit Unterstützung der Transferstelle der KU (KU.impact) und des Projekts „Mensch in Bewegung“ in Videos festgehalten.
Erkenntnisse waren unter anderem: Die Szenarien vieler Computerspiele sind in Kriegen angesiedelt oder Spielende müssen als Helden mit Gewalt ein Ziel erreichen. Negative Aspekte wie Schmerzen, Tod und Trauer würden dabei ausgeblendet oder verharmlost und Geschlechterverhältnisse stark stereotypisch dargestellt. Oft werden neuzeitliche Vorstellungen auf das Mittelalter übertragen, zum Beispiel in Aufbaustrategiespielen, in denen der Spieler gleich einem Diktator alle Entscheidungen alleine treffen kann – statt seine Herrschaft mit einer Mischung aus personalen Bindungen, Verwaltung und Zwang abzusichern und auszuüben. Dennoch können Computerspiele durchaus Teilaspekte der mittelalterlichen Geschichte in einer vereinfachten Form veranschaulichen. Indem sie etwa ganze Städte oder Regionen in ihrem mittelalterlichen Erscheinungsbild wiederauferstehen lassen, machen gut recherchierte und auf historischen Vorlagen basierende Spielewelten audiovisuelle Dimensionen und die räumliche Komponente mittelalterlicher Geschichte erahnbar. Das sei der Geschichtswissenschaft mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln sonst kaum möglich, erläutert der wissenschaftliche Mitarbeiter Kilian Baur. Computerspiele geben seiner Meinung nach durch die Auswahl interessanter historischer Szenarien einen Anstoß zur weiteren Beschäftigung mit der mittelalterlichen Geschichte.
Die öffentliche Vorstellung des Youtube-Kanals und der Ergebnisse des Seminars findet am Dienstag, 18. Juni, von 19 bis 21 Uhr Raum UA141 der Zentralbibliothek der KU (Universitätsallee 1, Eichstätt) statt. Alle Interessierten sind eingeladen.