Ängste, Sorgen und Widerstände, die mit dem rasanten Wandel der Arbeitswelt einhergehen, diskutierten rund 35 Interessierte am 30. April mit Expertinnen und Experten aus der Region im Rahmen der Reihe wissen.schafft.wir. DIALOG an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Auf dem Podium im Georgianum in Ingolstadt zu Gast waren Jörg Schlagbauer, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der AUDI AG, Sabine Fanderl, Inhaberin der Ingolstädter Edeka Fanderl Märkte, Prof. Dr. Jens Hogreve, Vizepräsident der KU für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs sowie Lehrstuhl für ABWL und Dienstleistungsmanagement, und Johannes Kolb, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Ingolstadt. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die aktuelle Lage am regionalen Arbeitsmarkt und die Erwartungen heutiger und zukünftiger Arbeitnehmender.
Zum Einstieg in die Diskussion bewerteten die Diskussionsteilnehmenden die aktuellen Lage am Ingolstädter Arbeitsmarkt. Dabei wurde der demografisch bedingte und technologiegetriebene Wandel einmal mehr deutlich. Wir erleben seit Jahren einen zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangel in Ingolstadt und der Region, bei dem die Digitalisierung nur bedingt Erleichterung schaffen kann, so Sabine Fanderl. Johannes Kolb unterstrich demgegenüber, dass die Region sehr robust sei und bislang aus jeder Krise gut herausgekommen ist. Gleichwohl, „Auch in Ingolstadt wächst die Arbeitslosigkeit. Es melden sich derzeit viel mehr Menschen arbeitslos, kommen aber auch sehr schnell wieder in Arbeit“, sagte der Geschäftsführer der Ingolstädter Agentur für Arbeit. Nach vielen – zum Teil selbst verursachten – Krisen der letzten knapp zehn Jahre sei der Betriebsrat bei Audi in Sorge, ergänzte Schlagbauer. „Wir müssen den Standort Ingolstadt wetterfest machen und weiter entwickeln. Zusätzliche Branchen und Betriebe ansiedeln. Die Arbeitsplätze in der Region halten, modernisieren und neue Tätigkeitsfelder erschließen“, kommentierte er. Ebenso plädierte Schlagbauer für eine Technologieoffenheit. Es sei ein Risiko, dass Audi Milliarden in die Elektromobilität investiere und somit alleinig auf ein Standbein setze. Gleichzeitig würden etwa die Entwicklungen am IN CAMPUS Hoffnung machen. Allein bei der CARIAD seien dort 3.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Dem Audi Betriebsrat sein es enorm wichtig, dass „wir hier am Standort wieder viel selber machen.“ Das Automobil müsse heute viel stärker von der Software, Batterie und Infrastruktur her gedacht werden.
Nicht nur auf das Auto verlassen
Jens Hogreve unterstrich, dass der nächste Technologiesprung schnell kommen werde. „Wir müssen die Region weiterentwickeln, man kann sich nicht nur auf Automobil verlassen.“ Dennoch sei er optimistisch, dass man den Wandel in der Region gestalten könne, wenn es uns allen gelingt mutiger zu agieren. Dazu sollten auch die Hochschulen aus eigenen Silos ausbrechen und Fächerkulturen zusammenbringen, wie etwas beim Master „Business and Psychology“, der an der KU auf Englisch studiert werden kann. „So kann Mut entstehen, neue Dinge anzupacken“, betonte der Vizepräsident der KU. Zudem gebe es bereits erste Warnsignale. In der Zukunftsfähigkeit sei die Region in Umfragen abgestürzt, so Hogreve.
Menschen Sicherheit geben
Zeiten des Wandels sind bei Bürgerinnen und Bürgern nicht selten mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden. Johannes Kolb betonte: „Nur wenn es uns gelingt, die Beschäftigten gut auf immer schneller werdende Veränderungsprozesse vorzubereiten, können wir die Transformation der Arbeitswelt erfolgreich gestalten.“ Dazu gehörten unbedingt Weiterbildung und Qualifizierung der Arbeitnehmenden. Jörg Schlagbauer bestätigte: „Die einzige Ressource die wir in Deutschland haben ist der Mensch. Wir haben keine große Mengen an Bodenressourcen. In den Betrieben erleben wir große Unterschiede in den Generationen. Ältere wollen Sicherheit, Jüngere wollen Flexibilität.“ Daher sei das gegenseitige Zuhören in der jetzigen Zeit essenziell wichtig, so der Audi-Betriebsrat. Dafür müssen Grundvoraussetzungen gegeben sein, ergänze Sabine Fanderl: eine mit Offenheit auf Dinge zuzugehen, Flexibilität, Mobilität aber auch Leistungswillen und Loyalität. „Flexibilisieren können wir nur, wenn wir ausreichend Arbeiterinnen und Arbeiter haben, um das Arbeitsvolumen zu halten“, ergänzte Kolb. Folglich ist eine zentrale Frage: „Wollen wir uns für Zuwanderung öffnen oder nicht?“ Schlagbauer positionierte sich klar: „Es wird nur über Zuwanderung gehen.“
Erwartungen den jungen Generation
Kolb beobachte insbesondere bei jungen Menschen, dass die Bindung an die Unternehmen bei weitem nicht so groß sei wie bei älteren Kollegen. Das Interesse der eigenen Verwirklichung sei dabei zentral. „Wir werden weiter Arbeitskräfte verlieren, deshalb muss man auf die Themen der Jüngeren eingehen“, sagte Kolb. Würden diese Themen nicht berücksichtigt, würden sich junge Arbeitnehmende heute deutlich schneller umorientieren. Mit der nächsten Generation kämen weitere Herausforderungen dazu, da sie mit KI-Anwendungen aufwächst. Entsprechend ginge es um neue Formen der Arbeit, schilderte Kolb weiter. „Die junge Generation ist nicht so schlimm wie man sie darstellt“, unterstrich Sabine Fanderl. Jede Generation müsse ihre eigenen Erfahrungen machen. Viel mehr Angst mache sich Fanderl um die mittlere Generation, denn Gewohnheiten müssten geändert werden. „Wir müssen den Menschen mitnehmen“, so die Inhaberin der Edeka Fanderl Märkte. Dafür seinen Kommunikation und zwischenmenschliche Interaktion notwendig. Ein Zuschauer aus dem Publikum wollte dazu wissen, wie viele Studierende überhaupt in der Region bleiben würden. Laut Hogreve bleibt erfahrungsgemäß ein großer Teil der Studierenden hier, wobei es dazu keine eigene Statistik gebe. Kolb unterstrich derweil, dass dessen ungeachtet kein Zuwachs an Beschäftigten erreicht werde. In den Bereichen Pflege, Beratung und Erziehung werde der Beschäftigungsbedarf eher steigen, denn dort seien die Tätigkeiten zumeist nicht durch KI ersetzbar.
Einig war sich die Runde zum Abschluss der Diskussion: Die Arbeitswelt wird internationaler, digitaler, weiblicher. Die junge Generation sei gut beraten, vieles auszuprobieren und andere Länder und Kulturen kennenzulernen. Am Ende müsse der Mensch im Mittelpunkt stehen.
Foto: Daniel Zacher