Dr. Holger Krimmer (Stifterverband für die Dt. Wissenschaft) über zivilgesellschaftliches Engagement und Lernen als Schlüsselkompetenz der Zukunft
— Wie kann die Engagement-Bereitschaft junger Menschen gefördert werden? Und welche Kompetenzen können Hochschulen ihren Studierenden vermitteln, um sie für neue Formen des Engagements und des Lernens zu befähigen? Zum achten Dialogforum „Wissen in Bewegung“ diskutierten die Teilnehmenden diese Fragen mit Dr. Holger Krimmer, Mitglied der Geschäftsleitung des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und Geschäftsführer der Berliner ZiviZ gGmbH, die die Leistungsfähigkeit und den Beitrag der Zivilgesellschaft zur gesellschaftlichen Entwicklung regelmäßig in Studien erfasst.
Krimmer, der selbst Soziologie, Politikwissenschaft und Philosophie studiert hat, betonte im Gespräch, dass die intellektuelle Freiheit in der Wissenschaft grundlegend sei. Zugleich stellte er heraus, dass die gesellschaftliche Wirksamkeit von Forschung und Lehre zunehmend relevant werde. Für ihn selbst gehe es daher nicht nur darum, in der Wissenschaft für die Wissenschaft tätig zu sein, entscheidend sei auch, neue wissenschaftliche Ideen und Ansätze in die Gesellschaft zu überführen. Das für seine eigene Arbeit bestimmende Thema fasste er hierbei in der Frage zusammen: „Was bedeutet es, Mensch in einer freien Demokratie zu sein und diese Gesellschaft mit gestalten zu können?“
Als Grenzgänger zwischen unterschiedlichen institutionellen Welten war Krimmer selbst zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster tätig. Später wechselte er als Referent für einige Jahre in den Deutschen Bundestag, wo er parlamentarische Prozesse differenziert kennenlernte. Kreative Prozesse, so berichtete er vor dem Hintergrund der eigenen Biographie, entstünden oftmals in Grenzbereichen, wenn ungewöhnliche Partner kooperieren. Gerade die Reibung und Dynamik solcher Partnerschaften bilde vielfach den Ausgangspunkt für neue Ideen und soziale Innovationen.
Krimmer, der auch Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung „Bürger für Bürger“ sowie Sprecher der AG Zivilgesellschaftsforschung des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement ist, ging in der Diskussion näher auf die Frage ein, wie zivilgesellschaftliches Engagement gefördert werden kann: „Wenn wir nicht mehr genug Ehrenamtliche finden, müssen wir fragen: Wo setze ich an? Es ist klar, wir müssen früh beginnen. Wir müssen junge Leute dafür begeistern, Verantwortung im Ehrenamt zu übernehmen.“ Verschiedene Studien zeigen jedoch, so Krimmer, dass viele Engagierte aus Familien kommen, in denen bereits die Eltern aktiv sind: „Die meisten Personen kommen über biographische Netzwerke ins Engagement. Engagement hat sehr viel mit den Bildungswegen von Menschen zu tun.“ Hieran schließe jedoch die Frage an: „Wo sind die Vorbilder und die Lernanreize für junge Menschen, die derzeit nicht engagiert sind? Hier muss es Ansatzpunkte in der Schule oder in der Ausbildungsbiographie geben.“
Auf die Frage, welche Kompetenzen Studierende künftige benötigen, um in der Zivilgesellschaft aktiv zu sein, antwortete er: „Die Schlüsselkompetenz der Zukunft wird das Lernen sein. Und ein gesunder Mut zur Autodidaktik. Junge Menschen müssen lernen, flexibel mit neuen Situationen umzugehen.“ Kritisch merkte Krimmer allerdings an, dass viele Studiengänge inzwischen stärker verschult seien. Unklar sei daher, inwiefern diese gegenwärtig in der Lage seien, solche neuen Formen der Anpassungsfähigkeit, des Lernens und der Autodidaktik zu vermitteln.
Organisiert wurde die Veranstaltung durch das Projekt „Mensch in Bewegung“ in Kooperation mit dem Hochschulnetzwerk „Bildung durch Verantwortung“. Die Gesprächs-Reihe dient unter anderem dazu, die Jahrestagung des Hochschulnetzwerks vom 19. bis 21. Oktober 2020 an der Evangelischen Akademie Tutzing vorzubereiten.
Bild: Dr. Holger Krimmer.