„Miteinander statt übereinander reden“ – Das war das Ziel der Dialogveranstaltung „Integration & Migration in Eichstätt: Perspektiven Jugendlicher und junger Geflüchteter“, die am 19. Februar an der KU in Eichstätt stattfand. Der Abend bot mit einer offenen Podiumsdiskussion und der Vernissage der Ausstellung zum partizipativen Forschungsprojekt „LaeneAs“ die Gelegenheit zum öffentlichen und persönlichen Austausch. Im Fokus der Veranstaltung: Das Potential, das die erfolgreiche Integration Geflüchteter im Landkreis Eichstätt birgt, aber auch Hürden, die den Menschen in der Region begegnen und die Frage, wie Geflüchtete unterstützt werden können. Teilnehmende der Diskussionsrunde waren Abdulrazak Mesto und Irfan Rasooli, die an „LaeneAs“ mitgewirkt hatten, die Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Annette Korntheuer und Judith Bucher von der KU, Tanja Schorer-Dremel, Mitglied des Bayerischen Landtags, Bertram Genge vom Jugendmigrationsdienst CJD Eichstätt und Fred Pfaller, Unternehmer „Zum Gutmann. Es ging darum Probleme zu benennen und gleichzeitig Lösungen dafür aufzuzeigen.
Junge Geflüchtete teilen ihre Erfahrungen
Abdul Mesto und Irfan Rasooli gaben mit dem Thema Integration und Migration mit ihren Erfahrungen stellvertretend für viele andere ein Gesicht. Irfan Rasooli war 2016 mit seinem Onkel aus Afghanistan nach Deutschland gekommen, Abdul Mesto und seine Familie 2018 von Syrien über die Türkei. Obwohl er das Prinzip der beruflichen Ausbildung, wie es sie in Deutschland gibt, aus seinem Geburtsland nicht kannte und 35 Bewerbungen geschrieben habe, habe er starken Druck durch Behörden und Jobcenter erlebt, berichtete Abdul Mesto. Er hätte seinen Reisepass in der syrischen Botschaft erneuern müssen, habe aber Angst gehabt, dort verhaftet zu werden, weil er im wehrfähigen Alter war. Glücklicherweise habe er durch den Kontakt mit einem Rechtsanwalt der Asylsuchende berät, verstanden, dass Deutschland ein Land ist, in dem man eine Zukunft haben kann. „Egal ob du arm oder reich bist, ohne Sicherheit hast du nichts“, stimmte Irfan Rasooli zu. „Ich habe immer Angst gehabt, dass ich zurückgeschickt werde. Sechs Jahre hat es gedauert, bis ich eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen habe.“ Für die Zukunft wünscht sich Rasooli, dass er bald seine Frau, die nach wie vor in Afghanistan lebe, nach Deutschland holen kann.
Eichstätt hat ein breites Netz von Integrationsangeboten
Gemeinsam sprachen die Diskussionsteilnehmer neben den Hürden der Integration insbesondere über Lösungen und positive Erfahrungen. Einmal mehr wurde deutlich, dass Eichstätt ein breites Netz von haupt- und ehrenamtlich organisierten Integrationsangeboten hat. Gleichwohl gebe es an der ein oder anderen Stelle Probleme. Die Prozesse in den Behörden würden zum Beispiel zu lange dauern. Zudem müssten die Wege in den Arbeitsmarkt und die Anerkennung des Asylstatus leichter werden, waren sich die Diskussionsteilnehmenden einig. „Die Behördenprozesse zwingen Geflüchtete zum Nichtstun. Es gibt sehr hohe Hürden, die teilweise nicht erfüllbar sind, um arbeiten zu dürfen“ kritisierte Genge. Es komme nicht selten vor, dass die Verlängerung des Aufenthaltsstatus eines Geflüchteten nicht rechtzeitig komme, dann springen Unternehmen ab oder müssen das Arbeitsverhältnis kündigen.
Geflüchtete bieten erhebliches Potenzial für den ländlichen Raum
Fred Pfaller vertrat in der Runde die unternehmerische Perspektive. Er erklärte, dass es „schon lange kein Essen mehr im Gutmann gebe, wenn wir keine Geflüchteten in der Küche oder im Service hätten“. Mit den vereinfachten Ausbildungen zu Fachkraft Küche und Fachkraft Restaurant sei man auf dem richtigen Weg, den Fokus stärker auf die berufspraktische Ausbildung in der Gastronomie zu legen und sprachliche Hürden zu reduzieren, so der Wirt. Gleichzeitig unterstrich er seine Erwartungen an die Politik: Wir sollten die „Behördenwillkür zurückschrauben und den Menschen dahinter sehen“. Annette Korntheuer bestätigte anhand wissenschaftlicher Studien, dass Jugendliche und junge Geflüchtete vor dem Hintergrund von Arbeitskräftemangel und älter werdender Gesellschaft ein erhebliches Potenzial für den ländlichen Raum bieten. Dazu sei es aber erforderlich, Begegnungen zu fördern, denn soziale Nähe reduziere Ängste und Sorgen auf allen Seiten.
Schorer-Dremel: Wir haben noch keine gute Lösung für unbegleitete Minderjährige
Weil mit Tanja Schorer-Dremel auch eine Politikerin an der Diskussionsrunde teilnahm, konnten die anderen ihre vielfältigen Wünsche und Erwartungen an die Politik direkt adressieren. So solle zum Beispiel in Ausländerbehörden das Personal aufgestockt werden, was schnellere Terminvereinbarungen und schlicht ein „Zuhören“ möglich machen würde. Schorer-Dremel entgegnete, dass die Arbeitsbelastung in den Ausländerbehörden erheblich sei. Das Personal in den Behörden sei bereits aufgestockt und in Eichstätt in den vergangenen Jahren schon viel erreicht worden: „Die Berufsschule Eichstätt ist bei der Unterstützung Geflüchteter führend gewesen, ein Vorbild für ganz Bayern.“ Schorer-Dremel begrüßte den Ansatz, nicht übereinander zu reden, sondern miteinander in den Dialog zu kommen. Dennoch machte sie deutlich: „Wir haben noch keine gute Lösung für unbegleitete Minderjährige.“ Trotz guter Voraussetzungen würde man auch irgendwann an Grenzen stoßen, so Schorer-Dremel. Schließlich müsse man „denen gerecht werden, die da sind und nicht immer noch sagen mehr mehr mehr“, bekräftigte die CSU-Politikerin.
Zum Ende der Diskussion beschrieben Zuschauende mit Fluchterfahrungen, wie sie im Alltag Diskriminierung und Rassismus, etwa bei Krankenversicherung, Banken, Wohnungssuche oder Anerkennungen von ausländischen Bildungsabschlüssen, erleben. „Wir brauchen nicht mehr Leute – wir brauchen schlankere Prozesse“, teilte ein Zuschauer seine Erfahrungen als ehrenamtlicher Helfer. Zuschauende und Organisatoren waren sich einig, dass der Austausch zu Integration und Migration in Eichstätt vorgesetzt werden müsse und bekräftigten die Bemühungen um einen Migrationsbeirat als Stimme der Geflüchteten in Eichstätt.
Forschungsprojekt LaeneAs: Geflüchtete als „Peer Researchers“
Abschließend konnten Besucherinnen und Besucher sowie Diskussionsteilnehmende bei der Vernissage zum Projekt „LaeneAs“ einzelne Themen und Erfahrungen im persönlichen Austausch vertiefen. Die Ergebnisse und Hintergründe des Forschungsprojekts hatte Judith Bucher (KU Eichstätt-Ingolstadt) bereits zu Beginn der Veranstaltung erläutert.
Das Besondere bei „LaeneAs“: Geflüchtete, als sogenannte „Peer Researchers“, Praxispartner, etwa aus Integrationsberatung oder Behörden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von KU Eichstätt-Ingolstadt und Fachhochschule Potsdam untersuchten gemeinsam die Herausforderungen der beruflichen Ausbildung für junge Geflüchtete im ländlichen Raum.
Wie Bucher zeigte und in der Ausstellung zu sehen ist, sind insbesondere Sprache, Mobilität aber auch Diskriminierung und Rassismus sowie Bürokratie bedeutsame Hürden für junge Geflüchtete im Ausbildungssystem.Gleichwohl biete der ländliche Raum, wie Stadt und Landkreis Eichstätt, einen unschätzbaren Vorteil. Die Wege sind kurz, man kennt sich und so sind Hilfsangebote vergleichsweise schnell umsetzbar.
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Weitere Informationen zum Forschungsprojekt „LaeneAs“ finden Sie auf der Projektwebseite.
Ein Video mit Eindrücken und Stimmen von der Veranstaltung finden Sie auf dem Instagram-Kanal der KU.
Titelfoto: Simone Zink