Am 23. Juli 2024 fand ein spannender wissen.schafft.wir DIALOG zum Thema „KI als Verheißung: Zwischen tröstender Technik und neuer Ersatzreligion?“ statt. Die Diskussion wurde von Prof. Stefan Selke, Professor für gesellschaftlichen Wandel an der Hochschule Furtwangen, und Prof. Martin Schneider, Professor für Moraltheologie und Sozialethik an der KU, geleitet.
Das Besondere an diesem Dialog war Selkes unkonventioneller Ansatz, Künstliche Intelligenz (KI) nicht aus einer technologischen, sondern aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive zu betrachten. Selke argumentierte, dass KI weit mehr sei als nur ein technisches Werkzeug; sie sei ein tief verwurzeltes Phänomen unserer globalen Kultur. Diese Sichtweise wird besonders relevant im Kontext aktueller Studien, wie der Shell-Jugendstudie oder den Post-Corona-Studien, die eine allgemeine Erschöpfung und ein Ohnmachtsgefühl in der Gesellschaft feststellen. Diese Ermüdungserscheinungen – individuell, sozial und planetarisch – bilden den kulturellen Hintergrund, vor dem unser Umgang mit KI verstanden werden muss.
Selke zeigte auf, wie sich die Erzählungen über Technik und KI seit dem 20. Jahrhundert verändert haben. Während Technik damals oft als Verheißung betrachtet wurde, sind die heutigen Narrative über KI vielschichtiger. Dennoch spielt KI in nahezu allen Zukunftserzählungen eine zentrale Rolle, ob sie nun als unvermeidliche Anpassung, als Feindbild, als Garant für positive Zukünfte oder als Teil einer Aufbruchsgeschichte dargestellt wird. Diese vielfältigen Erzählungen spiegeln eine tiefe Verwurzelung der KI in unserer erschöpften Kultur wider, was dazu führt, dass der KI sogar ein tröstender Charakter mit quasi-religiösen Zügen zugeschrieben werden könne.
Auf Selkes Vortrag folgte eine kritische Replik von Prof. Martin Schneider, der das Tröstungspotenzial von KI in Frage stellte. Diese kritische Perspektive löste lebhafte Diskussionen unter den Teilnehmenden aus, die angeregt durch die vielen Beispiele aus dem Vortrag, ihre eigenen Wahrnehmungen von KI mit dem Podium teilten.
Die Veranstaltung bot tiefe Einblicke in die kulturelle und ethische Dimension von KI und regte zu weiterführenden Überlegungen über die Rolle dieser Technologie in unserer Gesellschaft an.